KIT Geschichte

Beim Flanieren über die Rheinuferpromenade könnten Spaziergänger*innen übersehen, dass sich auf der Höhe des Mannesmannufers, direkt unter ihnen, ein Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst befindet. KIT – Kunst im Tunnel trägt die Erklärung aber bereits im Namen und ist ein 888 Quadratmeter großer Ausstellungsraum, der sich direkt unter der Rheinuferpromenade befindet. Diese rechtsrheinische und circa drei Kilometer lange Promenade prägt heute entschieden die Düsseldorfer Skyline mit. Das berühmte Bild aus Tonhallenkuppel, Lambertus-Kirche, Schlossturm am Burgplatz, NRW-Landtag, Stadttor und den Bauten von Frank Gehry im Medienhafen erfuhr in den 1990er Jahren eine prägnante Veränderung.

Im März 1990 startete eines der größten und bedeutsamsten Projekte zur Verkehrsberuhigung und Verbesserung der Lebensqualität der Düsseldorfer Bürger*innen in der Geschichte der Stadt. In den 1960er und 70er Jahren hatte der Autoverkehr auf der vierspurigen Rheinuferstraße, die den Rhein von der 1902 erbauten Flaniermeile abschirmte, stark zugenommen. Aus diesem Grund wurde innerhalb von nur drei Jahren der Rheinufertunnel gebaut – ein Jahrhundertprojekt. 1995 erfuhr die bis dahin noch unbebaute Rheinuferpromenade durch die Architekten Niklaus Fritschi, Benedikt Stahl und Günter Baum eine Neugestaltung, die seit ihrer Fertigstellung das Stadtbild von Düsseldorf prägt. Tausende Menschen laufen während sonniger Tage zwischen den Platanen auf den markanten wellenförmigen, blauen Pflasterstreifen den Rhein entlang und genießen den weiten Blick, der sich durch die Flussneigung an dieser Stelle eröffnet.

Das KIT am Rheinufer, Foto: Ivo Faber

Beim Bau des Rheinufertunnels für den Autoverkehr wurden auf dieser 1.928 Meter langen Strecke ein sogenannter Tunnelrestraum geschaffen. Dieser statisch notwendige Raum, auch als „Abfallprodukt des Rheinufertunnels“1 bezeichnet, hatte einen direkten Zugang zur Rheinuferpromenade und wurde ausbetoniert.2 Für Niklaus Fritschi und seine Partner Benedikt Stahl und Günter Baum stand bereits während des Baus des Rheinufertunnels fest, dass der Tunnelraum als „Architektentraum“3 bezeichnet werden kann. Das öffentliche Interesse an dem Jahrhundertprojekt Rheinufertunnel Düsseldorf war sehr groß. Noch während der Bauphase gab es immer wieder Nachfragen für Besichtigungen des Tunnels.4

Umbau Rheinuferpromenade, Foto: Artur Kittlitz jr.

Der leitende Bauingenieur Erich Waaser war eine der zentralen Figuren, bei der Belebung der Tunnelräume. Er war es, der dazu anregte, in den verschiedenen Tunnelräumen kulturelle Veranstaltungen durchzuführen. Nachdem die Theater-Gruppe „Theater Kontra-Punkt“ bereits im unbefahrenen Verkehrstunnel auf der Höhe des Schlossturms das Stück Das Schwein mit der Geige präsentiert hatte, lag es nahe, dass auch im Tunnelrestraum auf der Höhe des Mannesmannufers vier weitere Stücke inszeniert wurden. Der Tunnelrestraum war eine temporäre Spielstätte, die sich für die ortsspezifische Entwicklung von Musiktheaterstücken anbot. Die Begriffe Tunneltheater bzw. Theater im Tunnel gehen auf die Zeit zurück, in der das Theater Kontra-Punkt im Tunnelraum am Mannesmannufer aktiv war.
Nachdem die freie Kulturszene den speziellen unterirdischen Ort für sich entdeckt hatte, wurde auch bald das Kulturamt im Tunnelraum aktiv.

Bau des Rheinufertunnels, Foto: Artur Kittlitz jr.

Dessen stellvertretender Leiter Klaus Lehmann, erinnert sich, dass er 1993 gemeinsam mit Wolfgang Topel, damals der Abteilungsleiter für die Bildende Kunst im Kulturamt, „aus dem Stand heraus“ eine Ausstellung mit bildenden Künstlern, Literaten und Musikern der damaligen Szene im Tunnelrestraum organisierte:

Es war eine konzertierte Aktion „aus dem Stand“ heraus im unmittelbaren Anschluss an die Aufführungen des Theaters Kontrapunkt von Anette Bieker und Frank Schulz. Beteiligt waren bildenden Künstler aus dem damals noch jungen Künstleraustausch mit Israel (En Hod) und Japan (Osaka/Goethe-Institut) und überwiegend all den Düsseldorfer KünstlerInnen, die damals in besonderer Weise in diese Austausche involviert waren. Eingebunden waren auch die Clara-Schumann- Musikschule (organisiert von Bernd Wiesemann), das Düsseldorfer Schauspielhaus (organisiert von Wiltrud Niehl) und der VS Düsseldorf/Literaturbüro mit Niklas Stiller und Thomas Hoeps. Es war eben alles sehr spontan damals, so auch das Konzert mit Thomas Beckmann und seiner Frau Kayo und die damit verbundene besondere logistische Herausforderung, den riesigen D-Flügel durch die Röhre zu transportieren. Sohei Hashimoto verwendete für seine Installation ‘zig Klappstühle, die noch von der Theateraufführung stehen geblieben waren. Oder Dan Richter-Levin baute aus „oberirdisch-beschafften“ Baustellenhölzern seine Rahmen-Skulpuren. Hölzer, die wenig später für Anna Löbners Holztäfelchen Verwendung finden sollten.
Die dreitägige Aktion war der willkommene Anstoß für weitere Düsseldorfer KünstlerInnen diesen besonderen Raum für die Kunst zu entdecken.

Der Tunnelraum war von 1992 bis 1996 ein Magnet für Künstler*innen und die Düsseldorfer Kulturszene. Ein scheinbar unentdeckter Off-Raum, der ohne institutionellen Rahmen funktionierte und von dem auch die im Jahr 2009 verstorbene Künstlerin Anna Löbner bei ihrem ersten Besuch beeindruckt war: „Ich hatte einige Monate zuvor den Restraum das erste Mal gesehen und fotografiert, und war von seiner einzigartigen Lage und Form fasziniert.“5 Der zu der Zeit noch deutlich hörbare Verkehrslärm inspirierte sie zu der Ausstellung Das Meer 700 Mal, bei der sie genau 700 11×11 cm große Holztafeln auf Blickhöhe im gesamten Raum anbrachte. Zu sehen waren unterschiedliche Meeransichten, bei denen sich die Künstlerin in ihrer Pinselführung an der Struktur der Holztafeln orientierte.

Bis 1996 gelangte man nur über eine vom Bauamt aus Gerüsten erstellte Behelfstreppe in den Tunnelraum. Alle Aktivitäten und Veranstaltungen, seien es Ausstellungen, Theatervorstellungen oder Partys, fanden unter spartanischen Bedingungen statt und waren eine Herausforderung für alle beteiligten Akteure. Keine Elektrizität, keine Klimaanlage, keine Toiletten – der Rohbau des Tunnels übte aber trotzdem eine solche Faszination aus, dass seine visionären Entdecker die widrigen Umstände in Kauf nahmen. 
Im April 1996 ereignete sich dann ein folgenschweres Unglück in Düsseldorf, das auch allen weiteren Aktivitäten im nicht brandschutzgesicherten Tunnelraum unvermittelt ein Ende setzte. Bei der Brandkatastrophe am Düsseldorfer Flughafen starben 17 Menschen und 88 weitere wurden verletzt.

Die Hauptgründe für die Zahl der Todesopfer waren unter anderem das Fehlen von Brandschutztüren. Da es diese auch im Tunnelraum nicht gab, blieb der Raum daraufhin von 1996 bis 2006 ungenutzt.
Etwa 10 Jahre nach der Neugestaltung der Rheinuferpromenade, wurde erneut über die Nutzung des Tunnelraumes diskutiert.
Nachdem er in den 1990er Jahren und in der Hochphase des Tunnelbaus ein bekannter und oft genutzter Raum für Kulturprojekte war, schien der Raum bis in die 2000er Jahre beinahe vergessen. Im November 2005 erstellte das Architekturbüro Fritschi, Stahl und Baum dann ein Planungskonzept für das Projekt KIT – Kunst im Tunnel. Die Idee der Architekten: Für das 1998 eröffnete Apollo Varieté-Theater, das sich nur wenige hundert Meter vom Tunnelraum entfernt befindet, ein Pendant mit junger, zeitgenössischer Kunst also einen „Kontrapunkt zum kommerziellen Theaterbetrieb“6 zu schaffen.

Anna Löbner, Das Meer 700 Mal, 1994, Foto: Anna Löbner
Dan Richter-Levin, Rahmenskulptur
Ausstellungswerbung „Im Tunnel“, 1993

In der Sitzung des Kulturausschusses am 19. Januar 2006 wurde folgende Vorlage beschlossen: „Ausbau des Tunnelrestraumes als Ausstellungsfläche“. Die Gründung von KIT – Kunst im Tunnel und damit der Ausbau des Tunnelrestraumes als Ausstellungsfläche war inhaltlich folgendermaßen konzipiert:
„Auf ungewöhnliche Weise bietet dieser Ort die Chance, einen Ausstellungsraum für aktuelle Kunst in Düsseldorf zu schaffen und jungen Absolventinnen und Absolventen der Kunstakademie eine erste Ausstellungschance zu geben.“7

Die Baukosten wurden auf 3,5 Millionen Euro taxiert, und es wurde mit Folgekosten von einer halben bis einer Million Euro gerechnet. Das Projekt KIT – Kunst im Tunnel entsprach mit Baukosten von 3,4 Millionen Euro den finanziellen Erwartungen und fand mit der Kunsthalle Düsseldorf eine Institution, die organisatorisch und künstlerisch passende Unterstützung leisten konnte. Zunächst übernahm Dr. Petra Winkelmann (stellv. Leiterin Kulturamt der Stadt Düsseldorf) die kommissarische Leitung von KIT. Zu Beginn waren Gertrud Peters, als Kuratorin und Dejan Mujicic als Techniker für KIT – Kunst im Tunnel tätig. 2007 startete mit der Ausstellung Hotel Kerberos der Ausstellungsbetrieb. Gleich die erste Schau war ein großer Erfolg, innerhalb der ersten 10 Tage kamen 5500 Besucher in den Tunnelraum.

Das sichtbare Entree von KIT öffnet sich zum Rhein hin und ist ein wichtiger Verbindungspunkt des Ausstellungsraumes zur direkten Umgebung. Die flanierenden Besucher werden vom offen gestalteten KIT Café angelockt, um sich auf der Terrasse des Cafés zu Entspannen und den Blick auf den Rhein zu genießen. Heute betreibt der Pächter Achim Spyra betreibt das KIT Café mit seiner Frau Fadime Spyra. Das von Achim Spyra konzipierte Musikprogramm ist global angelegt und bringt Künstler*innen aus der ganzen Welt an den Rhein. Zentral für Spyra und sein Team ist es, vor allem Bands aus der internationalen Musikszene vorzustellen und den besonderen Standort des KIT Cafés am Rheinknie internationalen Gästen, Touristen und Düsseldorfer Bürger*innen als einen Ort der Kultur und Gastronomie näher zu bringen. Eine Reihe im KIT Café trägt zum Beispiel den Titel „KIT Water Music / Rhine features …“ und spielt auf die Verbindung zwischen den Gewässern der jeweiligen Herkunftsländer der Bands und dem Rhein als Lebensader Düsseldorfs an. Das Musikprogramm umfasst Bands aus den Bereichen Underground, Global Pop, Jazz, Soul und vielen mehr. Bereits Größen wie Celsp Piña aus Mexiko, Konono NO 1 aus dem Kongo, MAKU Soundsystem aus New York City, Hackney Colliery Band aus Großbritannien sowie im November 2016 die legendäre Idris Ackamoor & The Pyramids aus den USA waren im KIT Café zu Besuch.

Durch das Café gelangen die Besucher*innen über eine große Treppe oder mit dem Personenaufzug in den unterirdischen Ausstellungsbereich.

Jana-Catharina Israel


1 Fritschi, Niklaus: Erst war es ein Traum, in: Kat. Ausst. Hotel Kerberos, KIT – Kunst im Tunnel, 2007, Düsseldorf, 2007.
2 Brockerhoff, Michael: Düsseldorf lässt sich sehen, Droste Verlag: Düsseldorf 2001, S. 11.
3 Fritschi, Niklaus: Erst war es ein Traum, in: Kat. Ausst. Hotel Kerberos, KIT – Kunst im Tunnel, 2007, Düsseldorf, 2007.
4 Waaser, Erich: Kunst im Tunnel, in: Kerpen, Barbara (Hg): Jahrhundertprojekt Rheinufertunnel Düsseldorf, Artcolor GmbH: Hamm 1995, S. 26.
5 Löbner, Anna: Das Meer 700 Mal. Im Restraum des Rheinufertunnels 22.-31. Juli 1994, in: Kat. Ausst. Hotel Kerberos, KIT – Kunst im Tunnel, 2007, Düsseldorf, 2007.
6 Fritschi, Niklaus: Erst war es ein Traum, in: Kat. Ausst. Hotel Kerberos, KIT – Kunst im Tunnel, 2007, Düsseldorf, 2007.
7 Beschlussvorlage für die Sitzung des Kulturausschusses der Stadt Düsseldorf am 19.01.2006

Foto: Ivo Faber
Konzert auf der Terrasse beim Sparda-Tag 2013